Jeder hat wohl ab und zu Aussteigerträume. Ruhige, friedliche und unfassbar romantische Träume.
Wie immer wenn ich träume, bleibt’s nicht beim bloßen Vor-mich-hinträumen. Ich mache mir Gedanken, wie groß ein Grundstück mindestens sein müsste, wieviele von welcher Tierart ich bräuchte, um wieviele Menschen zu ernähren und welche Pflanzen im Garten keinesfalls fehlen dürfen, um das ganze Jahr über was frisches zu bieten. So habe ich bestimmt schon hundertmal alles durchgeplant.
Mit der Vorstellung, Tiere zu töten, um sie zu essen, habe ich kein Problem. Schließlich habe ich mit 8 Jahren mein erstes Huhn geschlachtet. Aber ich wache regelmäßig spätestens dann aus diesen Tagträumen auf, wenn ich zu der Stelle mit dem Wäschewaschen und dem duschen komme. Ich liebe meine Waschmaschine und ich liebe eine heiße Dusche. Ich bin ein viel zu großes Weichei, um sowas wirklich jemals durchzuziehen. Außerdem schlafe ich gerne aus. Nix mit morgens um sechs Kühe melken und so.
Wie ich jetzt darauf komme?
Ich habe Post bekommen. Von M. aus dem Havelland. Post, die mich verwirrt und überfordert. Er schickt mir eine unverfängliche Karte, derzeit unsere übliche Kommunikationsform. Dabei, völlig unkommentiert, eine SD-Karte mit ge-pdf-ten Büchern über das Selbstversorgertum und gelebtes Aussteigen. Ich weiß ja, dass er den Zusammenbruch der Zivilisation nahen sieht und schon mal vorplant. Ich glaube, so langsam will er ernst machen. Und ich glaube, er braucht noch die richtige Frau an seiner Seite.
Wie gesagt: ich liebe meine Waschmaschine, eine heiße Dusche und ausschlafen. Vielleicht sollte ich das in meinem nächsten Brief nebenbei erwähnen.